Osternacht

Historische Überlieferung

Die Verantwortung der Burschen für die Osternacht, ja der Brauch überhaupt, scheinen für die Beteiligten immer so selbstverständlich gewesen zu sein, dass erst relativ spät darüber schriftliche Aufzeichnungen gemacht wurden. 1909 berichtet Peter Sömer aus Elspe in seiner Sammlung volkstümlicher Sagen und Bräuche über den Osterkult in Hallenberg. Da die Burschentrommel maßgeblich an der Osternacht beteiligt ist und bereits 1781 im Protokollbuch des Vereins erwähnt wird, muss der Brauch mindestens so alt sein, folgert der ehemalige Burschenoberst Heinrich Ewald 1912. Vereinzelte Versuche der Behörden die Osternacht zu verbieten, blieben wirkungslos, so sehr hängen die Hallenberger an ihrem Brauch. Selbst im 2. Weltkrieg wurde die Osternacht von den zu Hause gebliebenen jüngeren Burschen, wenn auch verkürzt und ohne Beleuchtung, durchgeführt. Lediglich 1945, zwei Tage nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen, war kein Osternachtsumzug.

Der Ablauf

Der Ablauf ist nach den historischen Überlieferungen bis heute gleich geblieben. Kurz vor 
Mitternacht versammeln sich die Burschen und Männer mit den Lärminstrumenten, Kreuzen und Lampionbäumen auf dem Marktplatz. Hier haben sich wie auf den Straßen rund um den historischen Stadtkern bereits viele Zuschauer eingetroffen. Während die Mehrzahl der Burschen bei ihren Wagen auf dem Marktplatz ist, stehen die restlichen sowie die Männer am Ostchor der Kirche. Um fünf Minuten vor Mitternacht wird die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet. Nachdem die Turmuhr Mitternacht geschlagen hat, stimmt die Gruppe auf dem Kirchplatz das Hallenberger Osterlied an.

Sobald die letzte Strophe verklungen ist, gibt die Burschentrommel mit kurzen, schnellen Schlägen das Signal für den Einsatz der Lärminstrumente. Unter ohrenbetäubendem Krach setzt sich der Zug durch die Straßen und Gasen der Altstadt in Bewegung. Im Verlaufe des Umzuges übernimmt die Burschentrommel eine akustische „Dirigentenfunktion“. Ertönt sie, fallen die Schlaginstrumente ein, verstummt sie, haben die Rasseln ihren Einsatz. Immer abwechselnd folgt nun diese Prozedur, das Nachtwächterhorn ertönt jeweils, um die Wechsel deutlich zumachen.

Ungefähr anderthalb Stunden dauert der Umzug in der Nacht zu Ostersonntag.

Beteiligte Instrumente

Das traditionsreichste Instrument ist zweifellos die Burschentrommel. Nach der Überlieferung eine Landknechtstrommel, die bereits 1667 erwähnt wird und somit älter als das offizielle Vereinsalter ist. Vermutlich stammt sie aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. Im Laufe der Jahre musste sie natürlich öfters repariert werden. Besonders das Trommelfell muss regelmäßig gewechselt werden. Früher wurde sie zu mehreren Anlässen im Vereinsleben benutzt, wohingegen sie heute ausschließlich in der Osternacht zum Einsatz kommt. Ebenfalls von wichtiger Bedeutung ist das alte Nachtwächterhorn.

Dunkelrot leuchtend, über zweieinhalb Meter hoch überragen die drei Osternachtskreuze eindrucksvoll den lärmenden Zug. Sie tragen das Angesicht und die Wundmale des Gekreuzigten, den Speer, der die Seite öffnete, sowie den Kreuzesgruß „O crux ave, spes unica“ (O Kreuz, einzige Hoffnung, sei gegrüßt)

Die Kreuze werden als Familienbesitz gehütet und weitergegeben. Ein Kreuz soll sogar das Gerüst des ältesten Kruzifixes enthalten, dass schon um die Jahrhundertwende mitging, damals noch als einziges. Von Zeit zu Zeit müssen die Kreuze erneuert werden. Allerdings durch den Wechsel von Kerzen auf elektrische Beleuchtung nicht mehr so oft wie früher.

Mit welchen Instrumenten beim Osternachtszug der Lärm verursacht wird, bleibt seit je dem Einfallsreichtum der Burschen überlassen. Es gilt jedoch die grundsätzliche Regel, dass ausschließlich mit Körperkraft gearbeitet wird. Elektrische oder mit Druckluftbetriebene Geräte sind verboten.

Bis vor einigen Jahrzehnten wurden die Lärminstrumente ausschließlich getragen, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die früheren Straßenverhältnisse und aus Kostengründen konnten die heute genutzten Handwagen erst später eingesetzt werden, schließlich rollen diese bis heute auf Metallrädern. Man schultere sich damals auf Pfosten befestigte Sägeblätter, die dann von den Hintermännern bearbeitet wurden, oder wuchtete sich gar zu zweit eine leere Gasflasche auf die Schultern, die von seitlichen Schlägen zum Klingen gebracht wurde.

Inzwischen ist das Klangbild der Osternacht hauptsächlich durch vier Klangfarben geprägt: 1. den dumpfen Ton der Burschentrommel, 2. den schrill-metallischen Klängen der Schlaginstrumente, 3. dem Nachtwächterhorn und 4. dem dunklen Rumoren der Rasseln.

Das Hallenberger Osterlied

Dieses Passionslied ist einzig in Hallenberg überliefert und wird ausschließlich in der Osternacht gesungen. Die Herkunft des Textes konnte noch nicht eindeutig geklärt werden, es deutet jedoch in seiner drastischen Schilderung des Leiden Jesu und der heiligen Wunden deutlich auf den Geist der Barockzeit. Durch die ausschließlich mündliche Überlieferung hat der Text in der Vergangenheit wohl einige Wandlungen erfahren. So sollen es ursprünglich 12 Strophen gewesen sein. Inzwischen sind es nur noch fünf.

Zum Download des Osterliedes hier klicken.

Die Route

Die Route des Zuges ist in den letzten Jahren immer gleich geblieben. Eine Änderung gab es in den Jahren um 1955 als der Zug nicht am ehemaligen Pastorat wendete, sondern erst später beim Josepfshaus. Einer der ältesten Bestandteile ist die dreimalige Umrundung der Kirche. Der Zug wandelt auf den Wegen des historischen Stadtkerns.

Der Umzug wird von den Beteiligten in aller Regel in äußerster Disziplin und mit feierlichem Ernst gestaltet. 

Die detaillierte Route: Marktplatz, Kirchstraße, Merklinghauser Straße, An der Mauer, Burg, Bangenstraße, Portstraße, Portgarten, Nuhnestraße, Wende beim ehemaligen Pastorat, Mühlenstraße, Ortstraße, dreimalige Kirchumrundung, Bangenstraße, Portstraße, Heribertstraße, Marktplatz, Mariengasse, Hofstadt, Merklinghauser Straße, Petrusstraße, Kump

Die Zugfolge (1995)

Erstes Kreuz – Fackelbäume – zweites Kreuz – Rasseln – drittes Kreuz – Burschentrommel und Nachtwächterhorn – Wagen mit Lärminstrumenten

Das Finale

Wenn der Zug nach anderthalb Stunden wieder am Ausgangspunkt ankommt, formiert er sich zu einem für Augen und Ohren eindrucksvollem Schlussbild. Die Kreuze und einige Rasseln nehmen Aufstellung auf dem Petrusbrunnen, Front zur Petrusstraße, während sich die Fackelbäume, Wagen und restlichen Rasseln um den Kump gruppieren. Für einige Minuten wird nun noch einmal zum großen Finale angesetzt und mit aller Kraft geschlagen, getrommelt und gerasselt, bevor sich alles so plötzlich auflöst, als habe der Dirigent den Taktstock verloren.

Der Sinn 

Darstellung des Erdbebens beim Tod oder der Auferstehung Jesu

Die Osternacht als Getöse zur Erinnerung an das Erdbeben, das bei der Auferstehung Christi stattgefunden hat, klingt auf den ersten Blick vielleicht einleuchtend, ist aber nicht haltbar, denn die in Westfalen überlieferten Osterspiele enthalten solche Szenen nicht.

Empörung über den Verrat des Judas Ischariot (16. Jahrhundert und früher)

Aus der Empörung über den Verrat des Apostels Judas an Jesus entwickelten sich vielerorts dramatische Spielszenen. 1920 wird z.B. berichtet, dass sich Schulkinder abends treffen und sobald es 12 Uhr schlägt, den Judas zu jagen. Dieses gestaltete sich in Form von Trampeln auf dem Boden, klappern mit Holzrasseln und Geheul. Ein Lärm, der sich in den Straßen fortsetzte. Ob dies allerdings als Ursprung der Osternacht zurückgeführt werden kann, ist nicht eindeutig geklärt.

Abwandlung der Kreuztrachtbrauches (17./18. Jahrhundert, Barockzeit)

Der Brauch der Kreuztracht, aus der Barockzeit stammend, ist noch heute an einigen westfälischen Orten üblich. Im Rahmen der Karfreitagsprozession wird der Weg Christi nach Golgata szenisch nachgestellt. Auf Grund der langen Tradition der Leiden-Christi-Verehrung in Hallenberg, könnte es sich bei der Osternacht um eine Abwandlung der Kreuztracht handeln. Dies ist aber mit historischen Quellen nicht belegbar.

Ankündigung der kirchlichen Auferstehungsfeier

Um die Gläubigen in der Karsamstagsnacht zur Feier der Auferstehung in die Kirchen zu rufen, veranstalteten die Burschen in manchen westfälischen Orten nächtliche Weckumzüge. In einer Notiz im Protokollbuch des Burschenvereins aus dem Jahre 1915 wird so etwas vermutet. Dies kann aber weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Dämonenabwehr/Fruchtbarkeitszauber (Ursprünge in vorchristlicher Zeit)

Was haben Silvester, Polterabende und die Hallenberger Osternacht gemeinsam? – den Lärm. Bei diesen und ähnlichen volkstümlichen Bräuchen hat Lärm immer die Funktion Unheil abzuwenden und Glück herbeizuführen. In diesem Sinne könnte die Osternacht auf vorchristliche „agrarkultische Umzüge“ zurückzuführen sein, die den Zweck hatten, Dämonen abzuwehren, die Wintergeister zu vertreiben und die Vegetation des jungen Jahres zu wecken. Später wurden diese heidnischen Übungen durch christliches Gedankengut überlagert und weiterentwickelt.

Dieser letzte Erklärungsversuch des Sinnes der Hallenberger Osternacht ist wohl der Wahrscheinlichste, vermutlich in Verbindung mit den übrigen oben genannten. 

Sonstiges (historisches Ereignis, Weltuntergang, etc.)

Aufdrängen kann sich natürlich bei dem Lärm der Osternacht der Gedanken an den Weltuntergang. Dies wird an einer mündlich überlieferten Anekdote deutlich. Allerdings fehlen auch zu diesem Ansatz historische Belege.